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Zerstörung an der Küste von Louisiana und Mississippi

Katrina − Zurück auf der I-10, führt uns diese direkt nach New Orleans. Die Stadt ist auf drei Seiten von Wasser umgeben; dem Mississippi River, dem Golf von Mexiko und dem Lake Pontchartrain. Zudem liegt sie in weiten Teilen unterhalb des Meeresspiegels. Diese Voraussetzungen sind reichlich schlecht, wenn, wie im letzten August (2005) geschehen, ein Hurrikan über das Land fegt. Die durch den Wirbelsturm Katrina ausgelösten Flutwellen brachen mehrere Dämme und setzten bis zu 80% der Stadt einige Meter tief unter Wasser. Rund 1800 Menschen verloren im Zusammenhang mit Katrina ihr Leben.

Obwohl Forscher schon lange vor einem solchen Szenario warnten, griffen die Notfallmassnahmen nicht. Es gab zwar im Vorfeld einen Aufruf die Stadt zu verlassen, dem ein grosser Teil der Bevölkerung auch folgte, aber jenen Bewohnern, die kein Auto besassen oder denen die Flucht nicht rechtzeitig gelang, blieb nur die Zuflucht in den Superdome, dem Football Stadium von New Orleans. Was als Notunterkunft für maximal 10’000 Personen während 48 Stunden gedacht war, wurde für mehr als dreimal so viele Menschen eine Woche lang zum ungemütlichen Zuhause. Das Dach war teilweise abgedeckt, der Strom fiel aus und die Toiletten überliefen. Es fehlte an Nahrungsmitteln, frischem Wasser und medizinischer Versorgung. Eine ähnliche Situation war auch im Convention Center anzutreffen.

Die Stadt verfiel in einen Zustand der Gesetzlosigkeit. Es wurde geplündert, gestohlen, vergewaltigt und gemordet (z.B. Selbstjustiz bei Plünderungen). In der Luft lag ein beissender Gestank, der von den Leichen und den ins Wasser gelangten Giftstoffen herrührte. Viel zu lange dauerte es, bis sich die Rettungskräfte, das Militär und die Polizei organisiert hatten und die Situation in den Griff bekamen. Erst nach mehreren Tagen gelang es ihnen die gesamte Bevölkerung aus dem Gebiet zu evakuieren.

 

Welcome back unless you’re black − Heute (2008), 3 Jahre nach der Naturkatastrophe, ist New Orleans kleiner, weisser und reicher als zuvor. Das Leid, das der Wirbelsturm über die Stadt brachte, verschlimmerte vor allem die Situation derer, die auch vor der grossen Flut nicht zu den Gewinnern gehörten.

250’000 Menschen verloren ihre Häuser. Sie wurden auf mehr als 700 Gemeinden in den Vereinigten Staaten verteilt, manche mehr als 400 Meilen von New Orleans entfernt. Einer deutschen Studie zufolge wurden Schwarze Flüchtlinge in Städte verfrachtet, die durchschnittlich 350 Meilen von New Orleans trennen. Weisse Flüchtling wurden an Orte gebracht, die durchschnittlich nur 193 Meilen entfernt sind. Zufall oder ein Hinweis darauf, dass die Schwarzen noch immer zweitklassig behandelt werden?

Die gleiche Studie zeigt auch, dass die Politik den Sturm für ihre Zwecke ausgenutzt hat. So wurde zum Beispiel ein Quartier mit Sozialwohnungen, die hauptsächlich von Schwarzen bewohnt wurden, dem Erdboden gleichgemacht und total neu aufgebaut, obwohl eine Renovation deutlich billiger gewesen wäre. Damit ist für viele Menschen aus der Unterschicht eine Rückkehr nach New Orleans ausgeschlossen... Die Mieten sind fast überall um einen Drittel gestiegen. New Orleans hat heute weniger Einwohner, die jedoch pro Kopf ein höheres Einkommen vorweisen können. Gespannt darf man sein, was passiert, wenn die zum Teil immer noch laufenden Sonderzahlungen an die Katrina-Opfer im März 2009 eingestellt werden. Wohin gehen diese Menschen dann?

 

Unser Schneckenhaus − Wir fahren auf der I-10 an New Orleans vorbei, verzichten aber aus Sicherheitsgründen darauf, die Stadt zu besuchen. Entlang der Autobahn sieht man nicht viel von der Zerstörung. Einzelne Dächer sind stellenweise abgedeckt und einige Strassen machen einen ziemlich heruntergekommenen Eindruck. Die Skyline hingegen strebt wie eh und je dem Himmel entgegen.

In der Nähe von Gulfport (Mississippi) suchen wir eine Übernachtungsmöglichkeit. Man hat uns geraten, in den von Katrina verwüsteten Gebieten aus Sicherheitsgründen ein Motel zu nehmen. Wir stellen jedoch fest, dass in der gesamten Region sämtliche Zimmer und Betten besetzt sind. In ihnen werden vom Staat Leute untergebracht, die durch Katrina ihr Heim verloren haben. Zum Glück können wir auf das Bett in Nanuq zurückgreifen. Da der Truckstop ausserhalb von Gulfport gut besucht ist, machen wir uns wegen der Sicherheit keine Sorgen. Wir parken neben einem Kombiwagen, in dem ein junges Paar wohnt, das beim Wiederaufbau hilft. Ihr bescheidenes Heim teilen sie sich mit zwei Schäferhunden.

Den Abend verbringen wir mit Essen und Lesen im Wendy’s. Dort ist es bedeutend heller und wärmer als in unserem Auto.

 

Platt − Unsere Schlafnachbarn finden, dass wir ein Stück weit der Küste entlangfahren sollen. Nur so bekämen wir einen Eindruck davon, was im vergangenen August geschehen ist. Sie haben recht. Nach anfänglichem Zögern (wir wollen keinen Katastrophentourismus betreiben) folgen wir am nächsten Morgen ihrer Aufforderung. Das Bild, dass sich uns bietet, haben wir uns in dieser Heftigkeit nicht vorstellen können. Die ersten paar Häuserreihen an der Küste sind fast komplett weggefegt. Aus den Trümmerhaufen ragen Bäume und vereinzelte Stahl- oder Betonträger. Wir entdecken auch mehrere «for sale» Schilder. Ob sich da wohl ein Käufer findet? In einem der Trümmerhaufen suchen ehemalige Besitzer (oder Plünderer?) nach Brauchbarem. Und irgendwo hat jemand trotzig eine USA-Flagge gehisst.

Auch hundert Meter von der Küste entfernt ist die Zerstörung noch sichtbar. Langsam fangen wir an zu verstehen, mit welcher Wucht der Hurrikan hier auf Land traff (wie wir später nachlesen mit Windgeschwindigkeiten von über 200 km/h und einer 9 Meter hohen Flutwelle). Wir fahren von Gulfport nach Biloxi und sind sprachlos. So stellt man sich eine Stadt nach dem Krieg vor.

Die beiden Orte lebten hauptsächlich vom Tourismus und den vielen Spielkasinos, die von Gesetzes wegen nicht an Land gebaut werden durften. Das Glücksspiel fand ausschliesslich auf Schiffen oder schwimmenden Plattformen, die im Wasser verankert waren statt. Katrina zerstörte diese Einrichtungen fast vollständig. Tausende von Arbeitsplätzen gingen verloren. Inzwischen (2008) sind mehrere Casinos wieder aufgebaut. Das Glücksspielgesetz im Staat Mississippi wurde angepasst und erlaubt es den Betreibern, ihre Casinos neu auch an Land zu errichten.